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Department of Economics

Vermögensungleichheit in der Schweiz: Eine Steuerfrage?

In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit, Florian Scheuer untersucht die steuerlichen Rahmenbedingungen, die zur wachsenden Vermögensungleichheit beigetragen haben könnten.

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Auch in der Schweiz hat die Vermögensungleichheit in den letzten 50 Jahren einen ähnlichen Trend wie in vielen anderen Ländern verzeichnet: steigend. Doch welche Faktoren haben zu dieser Entwicklung beigetragen? Florian Scheuer, UBS Foundation Professor of Economics of Institutions und seine Koautoren untersuchen die steuerlichen Rahmenbedingungen, die zur wachsenden Vermögensungleichheit beigetragen haben könnten.

Rückgang der Vermögensbesteuerung verstärkt Ungleichheit

Anhand neuer Daten zur Vermögensverteilung in den 26 Schweizer Kantonen zwischen 1969 und 2018 analysieren die Forschenden den langfristigen Zusammenhang zwischen Vermögenssteuern und der Konzentration des Vermögens. Die Zahlen zeigen, dass der Durchschnitt der kantonalen Spitzensteuersätze im Laufe der Jahre deutlich gesunken ist: Während er 1969 noch bei 0,73% lag, fiel er bis 2018 auf 0,49%. Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Vermögensungleichheit in diesem Zeitraum deutlich gewachsen ist – insbesondere bei den reichsten 1% und 0,1% der Steuerpflichtigen. Der Vermögensanteil des reichsten 1 % stieg von 33 % in den 1980er-Jahren auf 42% im Jahr 2018. Noch drastischer war die Entwicklung bei den Top-0,1%: Ihr Anteil hat sich mehr als verdoppelt, wobei diese Gruppe etwa 4000 bis 5000 Personen umfasst. Schätzungen zufolge erklären kantonale Vermögenssteuersenkungen der letzten 50 Jahre etwa ein Viertel des Anstiegs der Vermögenskonzentration bei den reichsten 1% und 0,1%.

Vermögenssteuer, eine schweizerische Besonderheit

Die Vermögenssteuer hat in der Schweiz eine lange Tradition: Sie existiert seit dem 18. Jahrhundert und ist bis heute eine zentrale Einnahmequelle der Kantone. Im internationalen Vergleich ist die Schweiz eines der wenigen OECD-Länder mit einer Vermögenssteuer – und das einzige Land, in dem sie einen signifikanten Anteil an den gesamten Steuereinnahmen ausmacht. 2018 belief sich ihr Anteil auf 9,6% der kantonalen und kommunalen sowie 3,9% der gesamten Steuereinnahmen.

Dank des föderalen Steuersystems können die Kantone die Vermögenssteuer weitgehend selbst gestalten, was zu erheblichen regionalen Unterschieden führt. Acht Kantone erheben ab einem bestimmten Freibetrag einen konstanten Steuersatz, während 18 Kantone ein progressives Modell mit steigenden Sätzen für höhere Vermögensklassen anwenden.

Kantonale Vermögensbesteuerung wirkt sich auf die Vermögenskonzentration

Die Forschenden analysieren den Vermögensanteil des reichsten 1% in ausgewählten Kantonen mit besonders niedriger oder hoher Vermögenskonzentration. Die Ergebnisse zeigen: Je niedriger die Vermögenssteuer, desto höher die Vermögenskonzentration.

Ein besonderes Beispiel ist der Kanton Nidwalden. Dieser Kanton wendet den niedrigsten Spitzensteuersatz auf Vermögen in der Schweiz an und hier besitzt das reichste 1% der Bevölkerung 70% des gesamten Vermögens des Kantons. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine niedrige Vermögenssteuer die Konzentration des Reichtums begünstigt – jedoch nicht als alleiniger Faktor für die wachsende Ungleichheit verantwortlich ist.

Wenn eine Erbschaft zum Reichtum führt

Neben der Vermögenssteuer könnte auch die Abschaffung der Erbschaftssteuer in vielen Kantonen zur steigenden Vermögensungleichheit beigetragen haben. In der Schweiz wurden in den letzten Jahrzehnten Steuerreformen umgesetzt, die es ermöglichen, Vermögen steuerfrei an direkte Nachkommen weiterzugeben.

Eine Studie zeigt, dass 75% der 300 reichsten Schweizerinnen und Schweizer ihr Vermögen geerbt haben – ein deutlicher Unterschied zu den USA, wo ein grösserer Teil der Superreichen durch unternehmerische Tätigkeit zu Wohlstand gekommen ist. Dennoch bleibt offen, inwieweit die Abschaffung der Erbschaftssteuer langfristig zur wachsenden Vermögensungleichheit in der Schweiz beiträgt.

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